Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage (SOR-SMC) ein Interview mit Michael Ankele
8 Fragen und 8 Antworten zum Thema “Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage” von Kira Braun an Herrn Ankele, ehemaliger Vereinsvorsitzenden von Projekt 21 II e.V. und Leiter des Aussteigerprojektes “ad-acta”.
Michael Ankele ist seit dem 02.05.2014 Pate der Freie Mittelschule Weißenberg, Sachsen und seit dem 10.07.2008 Pate des Lessing-Gymnasium Hoyerswerda, Sachsen
1.) Welche Ziele verfolgen die Schulen Ihrer Meinung nach mit dem Projekt „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ (SOR-SMC) und können diese erreicht werden?
Ich bin überzeugter Botschafter dieses Titels, weil ich es wichtig finde, öffentliche Bekenntnisse gegen Rassismus zu zeigen. Schulen sind dafür der ideale Ort. Die Schulen spiegeln die Gesellschaft als Ganzes. Hier erreichen wir noch alle!
Ein öffentliches Bekenntnis zeigt allen, dass es hier eine Einrichtung gibt, die sich für humanistische Ideale einsetzt. In Zeiten öffentlicher rassistischer Proteste(Pegida ect.) ist das ein besonders wichtiges Zeichen für Toleranz. Schulen und Einrichtungen mit diesem Titel können offensiv, werteorientiert arbeiten.
Eltern, Partner u.a. wissen, hier ist eine Einrichtung, die sich bekennt. Entsprechend ist so eine Einrichtung im moralischen Vorteil gegenüber anderen, die diesen Titel nicht haben.
Interessant ist die Tatsache, dass Schulen, die um diesen Titel kämpfen, in den unteren Klassen noch eine hohe Akzeptanz bei den Schülern und damit auch bei den Eltern haben. Mit zunehmender Klassenstufe nimmt die Akzeptanz aber teilweise dramatisch ab! Ich weiß von einer Schule aus dem Raum Dresden, die auf Grund dieser Tatsache, die Titelbewerbung abbrach!
Das ist schon erstaunlich…!
Wie brisant die Sache ist, zeigt auch der Diebstahl einer solchen SOR-SMC Platte an einer ostsächsischen Schule. Es ist in einigen Räumen offensichtlich eine Provokation, sich mit dem Titel zu zeigen.
Es liegt an den Schulen, sich dieses Titels würdig zu erweisen. Mit der öffentlichen Verleihung zeigt man allen, aktiv dieses Thema zu behandeln. Projekte und Partner werden eingebunden. Schulen werden bestärkt, sich gründlicher mit dem Thema zu beschäftigen. Einige Einrichtungen arbeiten da vorbildlich.
Es ist immerhin ein guter Schritt in Richtung, der mir so wichtigen „werteorientierten Schülerarbeit“. Deshalb unterstütze ich das Anliegen. Leider ist das in Sachsen noch nicht flächendeckend der Fall. In einigen alten Bundesländern ist man da schon weiter!
2.) Herr Ankele Sie sind selbst Pate des „Lessing-Gymnasiums-Hoyerswerda“. Können Sie ihre Tätigkeit als solcher und ihre Ambitionen beschreiben?
Ich bin nicht nur Pate am „Lessing“ Gymnasium in Hoyerswerda, sondern auch an der freien Oberschule Weißenberg. Beides sind sehr interessante Orte mit aktiven NS(„Nazi“)Szenen. Es gehört schon Mut dazu, dieses Bekenntnis (SOR…) öffentlich zu zeigen.
Da ich durch die Präventionsarbeit (ca. 60 Veranstaltungen im Jahr) ohnehin viel in Schulen/Einrichtungen bin, kann ich als Botschafter recht breit wirken.
Als Pate unterstütze ich mit Angeboten, vermittle kompetenten Partnern, gebe moralische Unterstützung, mache bewusst Öffentlichkeitsarbeit und es geht hin bis zu Geldspenden. Ich bestärke, mache Mut, vermittle bei Problemen u.u.u.
Ich glaube an das Anliegen von SOR-SMC, bin da zutiefst Humanist und überzeugter Anti-Rassist. Das lasse ich bei den Präventionsveranstaltungen gemeinsam mit Aussteigern aus der REX-Szene auch immer durchblicken.
Wir dürfen das Feld nicht Rechtspopulisten überlassen! Um diese hohen Werte hat die Menschheit Jahrhunderte gekämpft. Dieser Titel entspricht auch meinen Zielen. Ich bin auch Vereinsvorsitzender. Unter www.projekt21II.de können sie sich über die Vereinsarbeit und -ziele erkundigen. Wir betonen immer wieder, dass Demokratie verteidigt werden muss, aber auch wehrhaft ist. Deshalb bin ich hier auch als Botschafter gern aktiv.
Natürlich reichen Projekttage allein zum Thema nicht aus. Aber einige Schulen machen das recht gut. Sie haben jahrelang festgelegte Projekte in Klassenstufen.
Das ist ein Automatismus geworden und diese Kontinuität trägt Früchte.
Wir haben einige Partnerschulen die uns schon seit über 10 Jahren in einer Klassenstufe ordern. Da sieht man auch Ergebnisse in der Haltung bei den Schülern.
Lehrer sind motiviert mitzuwirken und die Schule/Einrichtung hat nachweislich weniger Probleme mit rechtsextremistischen, rassistischen und antihumanistischen Verhaltensauffälligkeiten. Schnelle Erfolge sind illusorisch!
Am Besten sind die Einrichtungen, die das Thema von der Schulordnung über den Schulalltag, im Ethikunterricht und Öffentlichkeitsarbeit im Schulhaus bis zu Partnern, Eltern, Schülersprecher, Schulsozialarbeit thematisieren. Das Vorleben der Lehrer spielt dabei eine besondere Rolle.
Ich habe über 30 Lehrerschulungen durchgeführt. Auch die Lehrerschaft braucht viel Motivationsinput, um den Mut und die Courage aufzubringen Botschafter für „Demokratiewerte“ zu sein.
4.) Jedes Jahr absolvieren Schüler_innen ihren Abschluss und neue Kinder werden in den Schulalltag aufgenommen. Wie sehen Sie diese Thematik, in Bezug auf SOR-SMC?
Der Titel verpflichtet zwingend, immer wieder mit Schülern, die neu an die Schule kommen, über die Thematik zu sprechen. Ich habe jedoch die Erfahrung gemacht, dass es in den unteren Klassen noch nicht die Akzeptanzschwierigkeiten gibt. Aber so ab 8.Klasse (sog. „Werteorientierungsstufe“) wird es komplizierter. Deshalb setzten wir dort mit unserem Präventionsprojekt gern an. Bei den Abgängern hoffen wir immer sehr auf das gepflanzte Pflänzchen „Demokratiewerte“ nach und nach aufgeht. Die Evaluationsbögen nach Auftritten von uns lassen uns da eigentlich optimistisch in die Zukunft schauen.
Ich beobachte seit einiger Zeit wohlwollend das Heranwachsen einer neuen Generation von jungen Menschen, die nicht unpolitisch, durchaus kritisch aber auch international und sozial eingestellt ist.
Immerhin bin ich seit 14 Jahren an Schulen und kann mir nun langsam eine Einschätzung erlauben.
5.) Wie kann das Projekt gegen Rechtsextremismus wirken?
Zum Verständnis: NS hassen wie die Pest solche öffentlichen Bekenntnisse! Sie sind das krasse Gegenteil zu ihren Wertebildern und betrachten Schulen mit dem Titel als besondere Feindeinrichtungen.
Ergo muss das Thema „REX“ unbedingt ein Projektthema sein. Dabei nicht übertreiben! Es gibt viele Themenfelder die behandelt werden sollten. Eine Fahrt in ein KZ (gut vorbereitet) sollte aber immer auf dem Plan stehen. Kriegsgräber pflegen u.a. sind niedrigschwellige Möglichkeiten, dass Thema zu bearbeiten.
Leider fallen mir nicht viele Initiativen ein, die kompetent dieses Thema behandeln können. Nach wie vor tut sich die Gesellschaft schwer sich diesem Kampf gegen „REX“ konsequent zu stellen. Das sieht man z.B. in erschreckender Weise bei der Verquickung von Staatsorganen und danach folgende mangelnde Bewältigung im Falle der „NSU“ Straftaten!
6.) Wie sehen Sie die Nachhaltigkeit des Projektes?
Ich bin vor einigen Monaten im Auftrag des Sächsischen Innenministeriums evaluiert worden. Das Ergebnis war bemerkenswert. Unser Präventionsprojekt gehört zu den Besten!
Die meisten Punkte haben wir beim Bewertungskriterium Nachhaltigkeit erhalten.
Schüler/Lehrer sprachen Wochen/Monate noch nach dem Projekt über Inhalte der Veranstaltung! Sie haben recht, „Nachhaltigkeit“ ist ein ganz wichtiger Fakt in der Projektarbeit.
Die Schulen sind immer gut beraten nachhaltige Projekte zu ordern und besonders auf authentische und emotionale Projekte zu setzen. Dabei die künstlerische Seite nicht vernachlässigen.
Wir müssen die Schüler/Lehrer erreichen und nicht über ihre Köpfe hinweg wirken…
7.) Wo sehen Sie Möglichkeiten/Stärken, wo Grenzen/Schwachpunkte des Projektes?
Stärke: SOR… bietet der Einrichtung die Möglichkeit, sich öffentlich wahrnehmbar, inhaltlich zu äußern. Es ist ein Bekenntnis mit großem politischen Potential und
derzeit mehr als ein Bekenntnis. Es ist eine Kampfansage gegen aufkommenden Populismus, Engstirnigkeit und Egoismus.
Schwäche: SOR… muss immer wieder verteidigt werden. Bekenntnisse verblassen, wenn man sie nicht mit Taten unterfüttert. Es ist eine Verpflichtung, der sich jeder
Mitwirkende unterordnen muss. Die Öffentlichkeit sollte immer teilhaben. D.h. die Schule muss sich öffnen! Das birgt auch Gefahren. Dem sollte sich die Einrichtung immer bewusst sein.
8.) Gibt es noch etwas, dass Sie anmerken möchten?
Bleiben Sie weiter so neugierig und aktiv! Ich wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft!